Wolfgang Leidhold ist Professor für Politisch Wissenschaft an der Universität zu Köln (Deutschland).
Eine Reise von Dortmund nach Köln
Das humanistische Stadt-Gymnasium in Dortmund, gegründet 1543, legte den Grundstein für seine akademische Laufbahn. Die Dialoge Platons und die Philosophie Ciceros hinterließen einen nachhaltigen Eindruck. Sein Professor für Altgriechisch initiierte seine erste wissenschaftliche Arbeit “Eine Darstellung der Philosophie des Konfuzius”. Seine erste Publikation erschien 1966, eine kurze Meditation über die (Un-)Möglichkeit, das “Nichts” zu erfahren.
Bochum, Stanford & Erlangen
1975 schloss er sein Studium mit einer Arbeit über “Mythos und Methode bei René Descartes” ab. Nach Studien an der Stanford University, CA, promovierte er 1982 mit einer Arbeit über “Ethik und Politik bei Francis Hutcheson” an der Universität Bochum. Er hat Hutchesons “Inquiry into the Original of Our Ideas of Beauty and Virtue” von 1726 in einer 2004 erschienenen Neuauflage herausgegeben.
Ausgehend von der Beschäftigung mit diesem schottischen Philosophen und der Geschichte des Empirismus im Allgemeinen, über Kant bis hin zu William Jamess, Henri Bergson, C. G. Jung, Eric Voegelin, Ronald D. Laing und anderen, entwickelte er seine Theorie der Erfahrung und ihrer Geschichte. Von 1978 bis 1992 war er Akademischer Rat an der Universität Erlangen und lehrte politische Philosophie, Ideengeschichte und internationale Beziehungen.
über Georgetown, Hawaii und den Südpazifik
Mitte der 80er Jahre arbeitete er als Gastwissenschaftler an der Georgetown University in Washington, D.C., und an der University of Hawaii in Manoa. Während dieser Zeit konzentrierte er sich auf internationale Beziehungen und besuchte die pazifische Inselregion, Neuseeland und Australien. Die Thyssen-Stiftung (Köln) finanzierte das Projekt, aus dem ein Buch über “Sicherheitsfragen in der pazifischen Inselregion” hervorging. Auch hier war die Erfahrung ein zentrales Thema, denn kleine Inselstaaten und Mikronationen erleben die Sicherheitslage ganz anders als Großmächte und große Flächenstaaten.
nach Köln
Seit 1992 ist er ordentlicher Professor an der Universität zu Köln. Seitdem liegt sein Schwerpunkt auf der politischen Theorie und Ideengeschichte. Neben zahlreichen weiteren Forschungsprojekten initiierte und konzipierte er ILIAS, eine weltweit verbreitete Open-Source-Online-Lernplattform. Seine theoretischen Arbeiten umfassen Themen aus der Antike, der Renaissance, der westlichen Moderne und zeitgenössische Problemkreise wie Kommunikation, Religion und Ökologie. Das Studium der Erfahrung ist der Hauptschwerpunkt seiner Forschung und Veröffentlichungen.
Eine Skizze seiner Erfahrungstheorie und einen ersten Blick auf die Erfahrungsgeschichte hat er in zwei Büchern vorgelegt. “Politische Philosophie” von 2002 und in einer Studie zur spirituellen Erfahrung mit dem Titel “Gottes Gegenwart“, die 2008 erschienen ist. Die Festschrift zum Thema “Erfahrung” (2021) verdeutlicht die internationale Wirkung seiner Ideen.
Aktuelles
Seine jüngste Veröffentlichung heisst „The History of Experience“ (erschienen bei Taylor & Francis im Jahr 2023). In einem breiten Bogen vom Paläolithikum bis zur Gegenwart präsentiert er darin seine Theorie der Erfahrung. Dies ist eine Geschichte des Wandels der Erfahrungsstruktur und ihren Einfluss auf die Entwicklung der Kulturen. Eine Übersicht findet sich auf den folgenden Seiten, beginnend mit der “Übersicht“.
Ökologie und Erfahrung
In seinen aktuellen Projekten untersucht er das Verhältnis von Ökologie und Erfahrung sowie die Entwicklung eines ökologischen Ethos. Wenn sich die Struktur der Erfahrung verändert, entstehen neue Institutionen und Kulturen. Deshalb verändert sich das Verhältnis von Menschheit und Umwelt. Die Beziehung von Menschheit und Umwelt hängt nicht nur von der materiellen Komponente der Kultur (Technik, Wirtschaft) ab, sondern auch von ihrer geistigen Komponente, dem Ethos. Das Ethos bezeichnet sowohl den Ort, an dem ein Lebewesen (Mensch, Tier, Pflanze) gewöhnlich lebt, also seinen “Oikos”, als auch die geistige Haltung, die seine Aktivitäten hier inspiriert.
Ökologie und Ethos
Die geistige Haltung ist ein Ensemble von Werten, Normen und Regeln, Mythos und Geschichte, Ethik und Moral, philosophischen, religiösen und politischen Ideen und Ideologien. Das Ethos bestimmt nicht nur das Verhältnis zur menschlichen Lebenswelt, sondern auch zum Kosmos insgesamt. Dazu gehören die planetarischen Biosphäre und die transhumanen Noosphäre. Trotz aller Unterschiede in politischer, wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht sind, von der Ära der prophetischen Religionen bis zu heute, alle Kulturen von einem anthropozentrischen Ethos dominant geprägt. Diese Dominanz definiert die Epoche des Anthropozäns. Er weist deshalb darauf hin, dass eine nachhaltige Antwort auf die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit nur gelingen kann, wenn ein transhumanes ökologisches Ethos das gegenwärtige anthropozentrische Ethos ablöst.
Ein Essay zu diesem Thema wird in Kürze veröffentlicht.